Die Marke McLaren feiert in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag. Das bedeutet für das Formel-1-Team nicht nur, dass man den eigenen Pathos und die Tradition bei jeder Möglichkeit bemühen wird (so etwa schon geschehen beim Launch-Event), sondern auch, dass es sportlich erfolgreich laufen soll. Teamchef Martin Whitmarsh gab für den letztjährigen Dritten der Konstrukteurs-WM klipp und klar aus: "Wir werden einmal mehr den Gewinn der Fahrer- und Konstrukteurs-Weltmeisterschaft ins Visier nehmen."
Auch Jenson Button machte keinen Hehl aus den WM-Ambitionen: "Man will immer den Titel. Und genau das werden wir 2013 realisieren und mit Volldampf darauf hinarbeiten." Die Testfahrten dämpften die Euphorie wegen einiger kleiner Probleme ein wenig, auch wenn Sergio Perez erklärte: "Man muss das Maximum aus dem holen, was einem zur Verfügung steht und das haben wir gemacht." Immerhin konnte man jede Menge Daten sammeln: Nur Sauber, Mercedes und Ferrari absolvierten noch mehr Kilometer als der britische Traditionsrennstall. Und dass McLaren das wahre Potenzial des MP4-28 schon gezeigt hat, davon gehen die wenigsten aus.
Das Team: Bei den Briten ging es ganz schön drunter und drüber. Lewis Hamilton sprang zu Mercedes ab, Technik-Chef Paddy Lowe folgte ihm einige Monate später. Beide Personalien wurden von den Medien intensiv begleitet, wodurch McLaren monatelang nicht aus dem Schlagzeilen kam. Vor allem die Causa Lowe war für die Gerüchteköche ein gefundenes Fressen, bei dem das britische Team nicht das beste Bild abgab. An zwei wichtigen Positionen muss sich das Team neu orientieren. Diese Aufgabe obliegt dem von Sauber abgeworbenen Sergio Perez und dem internen Aufsteiger Tim Goss (vormals Chefingenieur).
Die Hauptaufgabe des neuen Technik-Chefs wird die Entwicklung des Boliden für 2014. Noch steht aber ein großes Fragezeichen auf der Checkliste des Briten: McLaren hat noch keinen Motoren-Deal unterzeichnet. Zwar hat man eine vertraglich zugesicherte Option auf eine Verlängerung mit Mercedes, doch halten sich hartnäckig Gerüchte, wonach man eine Zusammenarbeit mit Honda anstreben könnte. Planungssicherheit sieht jedenfalls anders aus.
Die Fahrer: "Unsere Fahrerpaarung ist die perfekte Mischung aus Jugend und Erfahrung", lobte Whitmarsh sein Duo im Rahmen des Launch-Events. Button ist die bekannte Größe bei McLaren, geht er doch in seine vierte Saison für die Briten. Zwar stand er in den vergangenen Jahren medial meist im Schatten Hamiltons, dabei darf man aber nicht vergessen, dass Button in den drei Jahren an der Seite seines Landsmanns insgesamt 15 WM-Punkte mehr eroberte als dieser und für die beste Einzelplatzierung in der WM (Vizeweltmeister 2011) eines McLaren-Fahrer sorgte.
Für Perez war der Wechsel zu McLaren der erste große Karrieresprung. Schon im Vorjahr holte der Mexikaner drei Podestplätze in seinem Sauber, 2013 ist der erste Sieg fällig. "Wenn man für McLaren fährt, werden von einem Siege erwartet und das ist ja auch mein Ziel: zu gewinnen", ist sich der Mexikaner seiner Aufgabe bewusst. Immerhin sorgte Perez in Barcelona für die einzige Tagesbestzeit eines McLaren-Piloten im Rahmen der Wintertests.
Galerie: Test-Highlights von McLaren
Das Auto: Der McLaren MP4-28 ist eine echte Revolution. Die Ingenieure warfen das Konzept des Vorjahres komplett über den Haufen und schlugen beim 2013er Boliden neue Wege ein. Die zwei größten Änderungen befinden sich an der Fahrzeugfront. Ferrari ersetzte bereits im Vorjahr an der Vorderradaufhängung die Push- durch Pullrods und hatte zu Beginn der Saison mit den Konsequenzen zu kämpfen. Im weiteren Verlauf des Jahres bekamen die Italiener die Probleme in den Griff und so setzt nun auch der Erzrivale aus Woking auf diese Lösung. Durch die fast waagrechten Streben erweist sich zwar die Fahrzeugabstimmung als knifflig, aerodynamische Vorteile und bessere Gewichtsverteilung stehen dem jedoch entgegen. Jenson Button zeigte sich nach den ersten Testfahrten nicht hundertprozentig mit dem neuen Fahrzeug zufrieden, weiß aber, dass es Zeit braucht, um die neue Aufhängung in Verbindung mit den neuen Reifen zu verstehen.
Die zweite große Änderung ist die Chassishöhe. 2012 war McLaren neben Marussia das einzige Team, das ein so niedriges Chassis verbaute, dass kein hässlicher Knick an der Nase zu sehen war. Beim MP4-28 ist das Chassis jetzt auf Maximalhöhe, um möglichst viel Luft unter das Fahrzeug zu bekommen, die schließlich am Diffusor in Abtrieb umgewandelt werden soll. Durch das Vanity Panel kommt der neue Bolide auch dieses Jahr ohne unschöne Stufe aus. Große Probleme gab es am Dienstwagen von Jenson Button und Sergio Perez bislang nicht, lediglich über den Reifenverschleiß beklagten sich beide Piloten arg. In Anbetracht der äußeren Bedingungen sollte das allerdings kein McLaren-spezifisches Problem gewesen sein.
Saisonziel: Weltmeister
PRO: McLaren muss als zweiterfolgreichstes Team der Geschichte den Anspruch haben, Weltmeister zu werden. Mit Lewis Hamilton verlor man zwar einen großartigen Rennfahrer, aber auch einen permanenten Unruheherd. Mit Jenson Button und Sergio Perez dürfte es künftig um einiges ruhiger zugehen. Auch sind die beiden Piloten sich stilistisch ähnlicher, McLaren muss also nicht mehr den entwicklungstechnischen Spagat zwischen Hamilton und Button eingehen. Zudem gilt sowohl Button als auch Perez als Reifenflüsterer - und die Pirellis werden von fast allen Piloten als der Schlüsselfaktor zum Titel 2013 angesehen. (Michael Höller)
CONTRA: Was hat sich McLaren nur dabei gedacht, mal eben das komplette Auto umzubauen und mit einer waschechten Revolution aufzuwarten? Der Vorjahres-McLaren war zeitweise das stärkste Auto im Feld und daran hätte sich 2013 wohl auch nicht viel geändert. Doch jetzt, im großen Umbruchsjahr, gehen die Briten ein ordentliches Risiko mit dem MP4-28 ein. Wenn die neue Aufhängung nicht so funktioniert wie gewünscht, geht unheimlich viel Zeit für eine mögliche Verbesserung drauf. Zeit, die in dieser Saison kein Team hat - Turbo 2014 lässt grüßen. Neu ist bekanntlich nicht immer besser und das Team hat sich den denkbar schlechtesten Zeitpunkt für Experimente ausgesucht. (Robert Seiwert)
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